BG8-165 Johannes Albendorf: Berliner Sehnsucht

Die Biografie eines der produktivsten deutschsprachigen Schlagertexters, engagierten schwulen Aktivisten, kaum namentlich bekannten, unzählige Male von Staat, Gesellschaft und falschen Freunden gedemütigten und doch nie gebrochenen Menschen als Kammerspiel: Bruno Balz ist frisch verliebt – und Paul hat einem ersten Rendezvous zugestimmt. Der Kaffeetisch ist gedeckt, Kerzen wurden erwogen und wieder verworfen, doch als Bruno Balz die Wohnungstür öffnet, drängen sich Heinz Rühmann und Grete Weiser herein. Seine beiden alten Freunde laden sich zum sonntagnachmitäglichen Schwelgen in alten Zeiten ein, für Bruno Balz gibt es kein Entkommen, zumal kurze Zeit später auch noch Zarah Leander dazustößt. Bruno Balz ist hin- und hergerissen zwischen seinen Freunden und der schwindenden Hoffnung auf eine neue große Liebe, denn was wird Paul, so er denn noch kommt, von dieser Runde tratschender Schabracken halten? – Der Autor plante den Roman zunächst als Bühnenstück – und das spürt man beim Lesen, man hat das Gefühl, selbst mitten in der Szene zu stehen, Bruno Balz nicht nur ins Herz, sondern Grete, Heinz und Zarah ins Gesicht sehen zu können. Und wie im guten Theater rührt die Geschichte zum Weinen wie zu Lachen: Man erschauert, als Bruno Balz sich daran erinnert, wie er unmittelbar nach tagelanger Folter durch die Gestapo die Schlager „Davon geht die Welt nicht unter“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn“ schreibt; man ist empört über Brunos Frau Selma, die er unter dem Druck der Nazis heiraten musste und die ihn auch nach dem Krieg immer noch erpresserisch in der Hand hat. Doch jenseits all der vielen Fakten über ein zu Unrecht vergessenes schwules Leben gelingt Johannes Albendorf vor allem auch die ergreifende Darstellung eines Menschen im Zwiespalt, nach außen angepasst und immer auf der Suche nach dem eigenen schwulen Leben.

Johannes Albendorf: Berliner Sehnsucht
D 2021, 192 S., Broschur

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