Gabriel Wolkenfelds erster Roman »Wir Propagandisten« war bereits ein bemerkenswertes, packendes und sprachlich großartiges Buch; jetzt legt der junge Autor mit »Babylonisches Repertoire« einen großen schwulen Familienroman vor, einzigartig in Sprache, Form und Inhalt. In der Buchhandlung Löwenherz stellt Gabriel Wolkenfeld sein Buch vor und berichtet von seiner Arbeit.
Weil der 86-jährige Avigdor Seliger nicht mehr spricht, steckt ihn seine Tochter Hannah in ein Altersheim. Die Ärzte sind sich nicht sicher: Verirrt sich der Mann allmählich in die Nebel der Demenz oder verweigert er das Sprechen bewusst? Weil Enkel Yair fürchtet, der Großvater könnte seinen Bezug zur Realität verlieren, erzählt er ihm jene Geschichten, die der Senior während der Schulferien am See Genezareth einst ihm erzählt hat. Allerdings erinnert sich Yair nicht immer genau. Er erfindet hinzu, übertreibt, wandelt ab – in der Hoffnung, den Großvater doch noch aus der Reserve zu locken und sich selbst vom eigenen Lebenschaos im Tel Aviv der Gegenwart abzulenken. Er lässt die schöne Bella Rubinsteyn auferstehen, die sich während der Schwangerschaft nur von exotischem Obst ernährt, weil sie ein besonderes Wesen gebären will; die exaltierte Olympiada, die den Durst der KGBler nach Unbill mit körperlicher Liebe zu stillen sucht; Danuta, die als Anführerin einer Waisenkinder-Bande die Märkte von Taschkent unsicher macht…
Unser Vorgehen bei den Literatursendung in Berggasse 8 ist einheitlich einfach: meistens führen wir mit den Autoren und Autorinnen zunächst ein persönliches Gespräch und nehmen dann die – meist vor Publikum – stattfindenden Lesungen auf. Aus diesen beiden Elementen, manchmal auch noch mit Musik oder zusätzlichen Audios, montieren wir die jeweilige Sendung für Berggasse 8 und den gleichnamigen Podcast.
Geplant war das auch so für die Sendung, in der wir Gabriel Wolkenfeld und seinen Roman >Babylonisches Repertoire< vorstellen. Allein es kam völlig anders. Das Gespräch von Veit Georg Schmidt mit Gabriel Wolkenfeld verlief über 31 Minuten wie aus einem Guss. Eigentlich fertig und sendereif, aber viel zu kurz für unsere Sendezeit von einer Stunde und außerdem noch ohne Lesung!
Für die Lesung vor Publikum war es Wolkenfeld’s Vorschlag, Schmidt möge doch auch mit am Podium sein. Ungewöhnlich für uns, aber wir stimmten zu. Das Ergebnis: 57 Minuten sendereife Präsentation samt Lesung, aber ebenso wenig zerstörungsfrei teilbar wie das Gespräch zuvor.
Wir wissen aber, was zu tun ist: wir veröffentlichen beides. Jedes für sich, vollständig und unverändert, fast eineinhalb Stunden Gesamtlänge. In der Radiosendung den größeren Teil, die Lesung, im Podcast zum Nachhören beide Teile, das Autorengespräch und die Lesung. Die Anordnung wird ausschließlich durch das vorhandene Zeitbudget bestimmt.
Sie werden erfahren, dass Gabriel Wolkenfeld zunächst nicht die Absicht hatte, einen so umfangreichen Roman zu erzählen. Es kam jedoch anders. Auch wir hatten nicht die Absicht, eine Sendung von mehr als 57 Minuten Länge zu gestalten. Es kam jedoch auch hier anders. Hören sie somit diesmal eine opulente Ausgabe von Berggasse 8, über den wunderbaren Roman >Babylonisches Repertoire< von Gabriel Wolkenfeld.