Der Einzelgänger ist ein Kabinettstück und eine der geistreichsten Gesellschaftskritiken, die auch mehr als 40 Jahre nach ihrem Erscheinen nichts von ihrer bitteren Wahrheit eingebüßt hat. Isherwood beschreibt einen Arbeitstag von George, der englische Literatur an einer amerikanischen Universität unterrichtet. George hat erst vor kurzem seinen langjährigen Lebensgefährten Jim verloren und immer wieder gehen seine Gedanken zu ihm, zu der gemeinsamen Zeit und zu den gemeinsamen alltäglichen Verrichtungen. Isherwood beschreibt minutiös jeden einzelnen Moment des Tages und obwohl er es aus erzählerischer Distanz tut, ist er fast ganz mit George identifiziert – und mit diesem Trick ist es der Leser auch. Denn George wird zwar in der dritten Person beschrieben, doch ist es in Wahrheit George selbst, der sich selbst beobachtet, und dabei feststellen muss, wie ihm die Souveränität des eigenen individuellen Handelns entgleitet und er zu George, dem Rädchen in der gesellschaftlichen Maschinerie wird. Immer wieder bäumt sich George gegen den Trott auf, versucht, aus seinem Leben etwas Besonderes zu machen. Beißend analysiert er, wie alle Welt nichts Besseres zu tun hat, als sich in die ewige Reproduktion des Normalen und Standardisierten einzupassen. Universale Einsichten über Kinder, Ehen, Arbeitswelt, Hausbauen und Partys finden sich so im Laufe von Georges Gedankenstrom, hart, gemein und wahr. In kleinen, fiesen Eskapaden analysiert er die Brutalität und Durchtriebenheit der Kinder, beschreibt, wie die Ehe aus vormals lustigen und spontanen jungen Männern abgestumpfte Säufer macht, die ihr Tagesvergnügen in ebenso anzüglichen wie primitiven Witzen finden. Doch es gelingt George nicht, auszubrechen. Immer wieder findet er sich im gleichen Trott die gleiche Normalität suchend wie alle anderen auch. Besonders böse wird der Roman, als sich George zum Essen mit einer alten Freundin trifft. Was erwarten wir uns eigentlich von unseren sozialen Kontakten? Sind sie nicht nur dazu da, sich selbst genervt von den anderen abzuheben, um wenigstens vor sich selbst als etwas Besseres da zu stehen? Diese pessimistische Sicht scheint sich dann umzukehren, als George später noch allein in eine Bar geht und dort überraschend einen seiner Studenten trifft. George hat sowohl väterliche als auch erotische Gefühle für den jungen Kenny, und in dieser Spannung scheint ein echter Austausch, eine echte Bereicherung des Lebens möglich zu sein. Fast möchte man mit George meinen, dass so etwas wie Glücklichsein aufkommt, als die beiden an der Bar mit einander trinken und der jüngere dem älteren das Herz ausschüttet. Doch auch dies löst sich auf, es bleibt der blanke Trieb, der sich in Georges Wichsfantasien vorm Einschlafen entlädt. »Der Einzelgänger« ist jedoch umso bemerkenswerter, als es keine beklemmenden Gefühle hinterlässt – offenbar präsentiert Isherwood die nackte Wahrheit so klar, dass man sie lieb gewinnt.