Ein scheinbar belangloser Mordfall in Hollywood: Mitten im reichen Villenviertel wird die Leiche eines schwulen Strichers gefunden. Entgegen der Erwartung des ermittelnden Polizisten lässt sich der Fall jedoch nicht rasch abschließen: Keine Zeugen, kein Motiv, keiner scheint den toten Jungen auch nur zu vermissen. Lediglich das Adressbuch des Toten könnte Hinweise geben. Darin findet sich auch der Name Jack Bell, gegenwärtig der Star von Hollywood. Mehr aus Neugier und Routine wird Jack befragt, und tatsächlich scheint sich nichts Verwertbares zu ergeben. Doch dann will Jack den Polizisten wieder treffen, aus einer Freundschaft entwickelt sich eine dramatische Leidenschaft der beiden Männer. Doch ihre ebenso kurze wie heftige Liebesaffäre wird von den Ermittlungen zum Tod des Strichers eingeholt. – Philippe Besson hat schon etliche schwule Romane geschrieben, deren Schreibstil er perfekt dem jeweiligen Thema angepasst hat. »Venice Beach« beginnt entsprechend als typisch amerikanischer Kurzroman, als Lebensbeichte aus Ich-Perspektive, der Name des erzählenden Polizisten wird nie genannt. Es ist die Geschichte einer schwulen Obsession, der vordergründig glücklich verheiratete Polizist verfällt zunächst schlicht dem Charme des Hollywood-Stars Jack. Doch es ist nicht nur eine Liebesgeschichte, die beiden jungen Männer sind nach kurzer Zeit regelrecht voneinander besessen. In immer kürzer werdenden Abständen treffen sie sich in einem Motel, die Fahrten dorthin und die Anonymität des Zimmers verleihen der ganzen Geschichte die Atmosphäre eines Road-Movies. Am Ende steht freilich, was der Erzähler schon gleich zu Beginn festgestellt hat: die Katastrophe und der völlige Verfall, das Engleisen des Lebens des Polizisten. Doch im Kontrast zu dieser fallenden Linie stehen Sprache und Erzählstil: Am Anfang, als alles noch seinen geregelten Gang zu gehen scheint, erzählt der Polizist in der typischen Sprache amerikanischer Trivialliteratur, unangebrachte Übertreibungen sind ebenso regelmäßig wie emotionale Bekräftigungen, die nur schwer die Belanglosigkeit des eigenen Daseins übertünchen können. Doch mit dem geregelten Leben verschwindet auch die Standardsprache, als Outlaw findet der Erzähler zu einer eigenen, ebenso individuellen wie überzeugend präzisen Sprache. Ein packender Thriller und ein kleines literarisches Meisterstück.
Philippe Besson: Venice Beach
Dt. v. Caroline Vollmann. D 2012, 180 S., Broschur