Roland Gramling hatte mit »Frankfurt 30 Grad« ein gelungenes Debut schwuler Stadtgeschichten der Gegenwart vorgelegt. Mit seiner Warmherzigkeit, erfrischenden Komik und anrührenden Aufrichtigkeit bietet er nicht nur gute Unterhaltung, sondern erzählt auch eine Geschichte, in der man immer wieder sich und viele gute Freunde wiedererkennen kann. Genau so setzt »Sehnsucht nach Sonne« die Geschichten um den Freundeskreis rund um die Ackerpflaumenallee 33 fort; Ausgangspunkt ist diesmal nicht der Hochsommer, sondern Neujahr, es ist ein kalter Winter. Luke ist immer noch auf der Suche nach der großen Liebe und scheint sie in Cem ausgerechnet auf einer Lesbenparty zu finden. Doch Cem wird große Mühe haben, seiner Familie klar zu machen, dass er nicht einmal einen wohlhabenden Türken heimbringen wird, wo sich seine Eltern nur zähneknirschend mit seinem Schwulsein abgefunden hatten. Und gerade Lukes Hoffnungen auf ein beschauliches Homoglück bringen seinen besten Freund Meiko derartig in Rage, dass er Luke schwer verletzt und die Freundschaft ins Wanken bringt. Doch dann verknallt sich Meiko selbst ausgerechnet in einen bulgarischen Stricher. Lukes Mitbewohnerin Sarah verbeißt sich unterdessen als Ermittlerin bei der Wirtschaftspolizei derart in ihren neuen Fall, dass ihre Geliebte, Basimah, genervt aufgibt und sie verlässt. Tom und Marco scheinen nicht nur das ideale Beziehungspaar zu sein, auch der ziemlich versaute Sex lässt nichts zu wünschen übrig – bis eine unerwartete Erbschaft Marcos auch die beiden Glücklichen vor eine große Herausforderung stellt. Und immer ist die Ackerpflaumenallee 33 der unbestrittene Heimathafen für alle. Mit seiner Fortsetzung von »Frankfurt 30 Grad« hat sich Roland Gramling nicht nur deutlich gesteigert, denn seine Erzählführung ist straffer, prägnanter, die einzelnen Episoden sind stringenter in einander verwoben und seine Charakterschilderungen sind viel diferenzierter geworden. Roland Gramling hat es vor allem geschafft, den Freundeskreis weiter zu entwickeln, ohne ihn zu verlassen. Deshalb fiebert man nicht nur beim Lesen mit, man findet sich geradezu als Leser in der identfikatorischen Position, alle Figuren zugleich zu sein. Die Identifizierung setzt nämlich gerade nicht beim Protagonisten oder einer dem jeweiligen Leser besonders sympathischen Figur an. Vielmehr bringt die Erzählführung zusammen mit der aufrichtigen und authentischen Schilderung vor allem schwuler und lesbischer Lebenswirklichkeit einen zentralen Punkt moderner Selbstwahrnehmung zum Ausdruck, dass wir uns nämlich alle als Mischung bzw. Zusammensetzung unterschiedlichster Rollenträger verstehen: mal als derb-versauter Sexpartner, mal als kuscheliger Beziehungstyp, mal als strebsam und karriereversessen, mal als ewiger Jugendlicher. Und als solche nicht nur auftreten, sondern uns auch selbst in diesen jeweiligen Momenten tatsächlich so sehen. In der Soziologie wird dies Patchwork-Identität genannt und Roland Gramling hat diese in seiner Roman-Serie aus schwuler gegenwärtiger Sicht so fesselnd beschrieben, wie Armistead Maupin seinerzeit für die 80er Jahre in San Francisco. Und so schrieb einer unserer Kunden und Roland-Gramling-Fans dem Autor begeistert: »Frankfurt 30 Grad hat mich so begeistert, dass ich nur Sehnsucht nach Sonne hatte.«
Roland Gramling: Sehnsucht nach Sonne, D 2010, 334 S., Broschur