Julia Jost im Gespräch mit Veit Georg Schmidt.
Nachdem der eiserne Vorhang endlich gefallen ist, gibt es auch im südlichsten Fleck der Republik kein Halten mehr. In einem kleinen Ort im wilden Kärnten ist man heiß auf die neuen Märkte, die der Osten zu bieten hat. Prompt verkauft der Vater unserer Erzählerin 50 Lastwägen nach Serbien und beschert so der Mutter den lang ersehnten Sprung ins Bürgerliche, hinaus aus dem Gratschbacher Hof und rein in die mediterrane Metropole Villach. Am Tag des Umzugs sitzt die Erzählerin, deren Namen wir nicht erfahren unter einem der Umzugslastwägen und beobachtet das rege Treiben. Am meisten vermissen wird sie ihre Kindheitsliebe Luca, die Tochter des Hausmeisters, deren Familie aus Bosnien geflohen war. Da sind die Stubenhofoma, die nicht glauben kann, dass die undankbare Tochter den schwer erarbeiteten Hof des Stubenhofopas einfach so verscherbelt, denn Besitz verkauft man nicht, Besitz hat man. Oder der Schulkollege Andreas, der angeblich im Bauch seiner Mama den Zwillingsbruder mit einem Happen vertilgt hat und jetzt so stark ist wie zwei Buben. Diese Kraft wird genutzt, um die Verbreitung von teuflischer Lesbenmusik, wie die der »4NonBlondes», zu verhindern. »What?s up?« fragt man sich da. Zwischen Erzkonservativen und Freunderlwirtschaft, Edeltracht und Nobelhobel, Lokalpolitik und Stammtischrunde findet Julia Jost die richtigen Worte fürs Weinen, Lachen und Staunen. Denn vieles im »Karawanken Buch« wirkt so absurd, dass einem, der ein Kärntner Leben nicht hautnah erlebt hat, wirklich nur das Staunen bleibt. Und doch sind einige Erfahrungen allen universell, die schon auf dem Land gelebt haben.
Foto: (c) Peter Supp 2024